Mediation ersetzt nicht herkömmliche traditionelle Verfahren, insbesondere nicht Therapie, Beratung, Coaching, gesetzlich verankerte Beteiligungsverfahren oder das gerichtliche Verfahren. Es tritt als komplementäres Element hinzu und ist eine Antwort auf Komplexität. Zu befragen sind also Geeignetheitskriterien, nach denen die Fälle dem einen oder anderen System je nach seiner Eignung zugeordnet werden können.
Mediationen sind besonders dann geeignet:
- wenn nicht vergangenheitsbezogene Ansprüche im Vordergrund stehen, sondern Zukunftsinteressen der Konfliktpartner
- wenn es um langdauernde Beziehungen geht (wie bei den Folgen einer Scheidung, wenn die Kinder betroffen sind, bei langdauernden Geschäftsbeziehungen, bei Teamkonflikten, im gesellschaftlichen Zusammenleben)
- wenn überhaupt der Beziehungsaspekt oder die Emotionalität des Konfliktes die Situation mitprägt (wie z. B. bei der Auseinandersetzung von Gesellschaftern oder überhaupt Konflikte auf der Führungsebene von Unternehmen)
- wenn die Vertraulichkeit eine bedeutsame Rolle spielt (Gerichtsverfahren sind in der Regel der Öffentlichkeit zugänglich)
- wenn eine Generallösung angestrebt wird und ein Rechtsstreit nur einen Teil erfasst bzw. erfassen kann (es sind z. B. mehrere Gerichtsverfahren zwischen denselben Personen anhängig z. B. Kündigung, Schadensersatzansprüche, Namensrechtsverletzungen und ähnliches; der „eigentliche“ Streit liegt aber auf der Beziehungsebene)
- wenn der Fall zu komplex ist und sich durch das Recht mit seinem binären Charakter (ja/nein auf der Basis von wenn … dann …) und bezogen auf zwei Parteien nicht oder schlecht lösen lässt. Das ist namentlich der Fall bei „polyzentrischen“ Konflikten, wo also der Eingriff an einer Stelle zu Auswirkungen an einer anderen Stelle führt, was sich wiederum an dritter Stelle auswirkt (wie bei einem Mobile), z. B. bei Verträgen über Großprojekte, die sich einem eindeutigen Code von Recht und Unrecht entziehen. Zu diesen komplexen Fällen zählen auch Konflikte aus Fusionen, dem internationalen Handel wie überhaupt bei Internationalität und unterschiedlicher Rechtsordnung.
Die Vorteile der Mediation leiten sich aus der Eignung ab:
- Konflikte zeigen häufig notwendige Veränderungsprozesse an. Diese werden nicht unterdrückt, sondern sind Gegenstand der Auseinandersetzung und Lösung.
- Die Ergebnisse beruhen auf eigenen Entscheidungen, nicht auf Drittentscheidungen, wirken daher i. d. R. nachhaltiger.
- Die Entscheidung richtet sich in erster Linie nicht nach einem vergangenen Sachverhalt, sondern zielt auf die konkrete Zukunft ab. Es geht nicht um „richtig und falsch“ sondern um „übergeordnet, wünschenswert, möglich, notwendig“. Dabei können rechtlich nicht relevante Aspekte berücksichtigt werden.
- Mediation kann manchmal schuldzuweisende Verstrickungen soweit auflösen, dass die wirklichen Zukunftsinteressen sichtbar und gestaltbar werden.
- Die Mediation lässt die Kommunikation nicht abbrechen, sondern fördert sie. Die Beteiligten können ihre persönlichen, familiären oder geschäftlichen Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen. Der Gewinn auf der persönlichen Ebene schafft zukünftigen Gewinn auch auf der geschäftlichen oder gesellschaftlichen Ebene.
- Das Recht kann nur über typische Fallgestaltungen pauschale Antworten vorschlagen. In der Mediation kann konkret, unter Einbeziehung subjektiver Gerechtigkeitsvorstellungen, eine maßgeschneiderte Lösung erarbeitet werden.
- Das Verfahren in der Mediation an sich ist ein Lernprozess, der Hinweise gibt, wie Konflikte zukünftig – auch ohne Mediatorin – gelöst werden können. Manchmal gelingt es in der Mediation, dass sich die Konfliktpartner wirklich versöhnen.
Grenzen der Mediation
- Eine selbstverantwortete Einigung setzt die Möglichkeit zur Selbstbestimmung voraus.
- Wo es dauerhaft, massiv und unverrückbar an einem Kräfteausgleich fehlt, ist Mediation nicht geeignet, weil sich keine Machtbalance herstellen lässt und – etwa aus einem voreiligen Harmoniebedürfnis und um des lieben Friedens willen – von einem Konfliktpartner Ergebnissen zugestimmt wird, die ein offensichtliches Ungleichgewicht in sich tragen. Mediation als komplementäres Verfahren ist fehl am Platze, wo der Schwache durch das Gesetz geschützt wird und er nicht ausreichend für sich selbst einstehen kann.
- Eine alternative Streitbeilegung ist ferner ungeeignet,
- wenn zwingendes Recht die Dispositionsfähigkeit der Parteien zu sehr einschränkt
- wenn eine Therapie sinnvoll ist oder ein individuelles Coaching ausreicht
- bei der Notwendigkeit einer Leitentscheidung mit öffentlichem Interesse an der Rechtsdurchsetzung oder Rechtsentwicklung
- bei der Notwendigkeit einer eindeutigen Entscheidung